Joos de Momper (1564 - 1635) zählt deshalb zu den bedeutendsten flämischen Landschaftsmalern, weil seine Landschaftsdarstellungen den Übergang zwischen von der Weltlandschaft der Manieristen zur naturalistischen holländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts aufzeigen.
Mompers Bildaufbau folgt, mit wenigen Variationen, fast immer dem flämischen Farbschema der drei Gründe: die Landschaft staffelt sich kulissenartig vom braunroten Vordergrund über grüne Bewaldung im Mittelgrund in die lila-bläuliche Ferne.
Diese Farbabstufung vermittelt den Eindruck großer Tiefe in Mompers Gemälden. Die warmen Farben des Vordergrundes und das helle Graublau der Ferne werden optisch verbunden durch gelbe und grüne Bildelemente im Mittelgrund. Verstärkt wird dieser Eindruck durch diagonal in die Bildtiefe führende Wege oder Flüsse.
Mompers Farbgebung entspricht dem Gang des Sonnenlichtes durch die Atmosphäre. Die Wahrnehmung des Lichtes durch das menschliche Auge wird, physikalisch ausgedrückt, bestimmt durch die Streuung der Sonnenstrahlung im sichtbaren Bereich an den Molekülen und Partikeln der Atmosphäre. Gerade bei lichtdurchfluteten Landschaften überwiegen aufgrund der (Rayleigh-Streuung) die warmen Farbtöne im Vordergrund und die kalten Farbttöne im Hintergrund.
Mit geringer Variation benutzt Momper dieses Schema auch im Braunschweiger Gemäldezyklus "Die vier Jahreszeiten" und im Gemälde "Flußlandschaft mit bewachtem Weg" (ca. 1620, Adenauer-Zimmer im Palais Schaumburg, Bundeskanzleramt).
Der Himmelsanblick in Mompers Gemälden ist dieser Farbkomposition untergeordnet. Die Wolken sind zwar insofern realistisch, als sie sich nach Gattung, Unterart usw. bestimmen lassen, ihre Farbgebung liegt aber fast immer im Graublau, ihre Position im Bild liegt fast immer in der Ferne. Dieses unterscheidet Mompers Gemälde deutlich sowohl von der manieristischen Himmelsdarstellung als auch von den holländischen Meistern des "Goldenen Zeitalters", die eine Generation später den Himmel als eigenständigen Gegenstand der Landschaftsmalerei entdeckten.
Im Gemälde "Flußlandschaft mit bewachtem Weg" (117 x 84 cm, Öl auf Holz, ca. 1620, Adenauer-Zimmer im Palais Schaumburg, mit freundlicher Genehmigung des Bundeskanzleramts Bonn)
sind die Bildebenen und ihre Farbgebung deutlich zu identifizieren. In diesem bisher kaum bekannten Werk Mompers ergeben große, rotbraune Felsbrocken im linken Bildvordergrund sowie am rechten vorderen Bildrand, braungrüne Blätter am Baum rechts und ein rotbraunes Haus am oberen Rand des unteren Bilddrittels die Vordergrundkulisse. Bewaldeter grüner Fels rechts im Bild, eine gelbe Sandfläche in der Bildmitte, sowie ein Wald am linken mittleren Bildrand erzeugen die Ebene der optischen Bildmitte. Das Auge wird dorthin geleitet durch den Fluß und durch den Weg, die aus dem Vordergrund in die Tiefe führen. Die beiden grün bzw. gelb gekleideten Wachen vermitteln zusätzlich zwischenVorder- und Mittelgrund. Der Hintergrund schließlich wird gebildet durch blaugraue Berge in der Ferne sowie den Fluß, der eine ebensolche Färbung zum Horizont hin erhält. Am fernen Himmel finden sich taubengraue Cumulus- oder Cumulonimbuswolken wie nach einer abziehenden Regenfront.
Die vier Gemälde des Braunschweiger Jahreszeitenzyklus (Inv.-Nr. 64 - 67) wurden von Joos de Momper vermutlich in den Jahren zwischen 1612 und 1620 geschaffen. Das Format der auf Eichenholz gemalten Bilder ist 56x97 cm. Auch in ihnen findet sich die Farbabfolge wieder, die Mompers Gemälde charakterisiert: braunrote Töne im Vordergrund, gelbgrüne Farben im Mittelgrund, graublaue Farbtöne in der Bildferne.
Für unser Thema ist besonders das Frühlingsbild interessant, denn hier findet sich ein Regenbogen vor abziehender Schauerbewölkung. Die weißliche Färbung des Regenbogens deutet darauf hin, daß sich in dem Niederschlag, der den Regenbogen erzeugt, auch Schnee oder Graupel befinden muß. Ein Regenbogen entsteht aufgrund der Brechung des Sonnenlichtes in den Regentropfen, Schnee und Graupel können keinen Regenbogen erzeugen. Die Wolke ist also typisch für die Jahreszeit, in der Regen mit Schnee oder Graupel vermischt fällt, echtes Aprilwetter eben.
Momper war ein sehr genauer Beobachter der Natur, trotzdem weist dieser Regenbogen meteorologische Unstimmigkeiten auf. Bei der Darstellung der Wolken hingegen ist Mompers Auge sehr scharf: die naturgetreue Schauerwolke läßt sich als jahreszeitentypische Quellwolke (Cumulus congestus oder Cumulonimbus) bestimmen. Von rechts her scheint die Sonne durch Wolkenlücken in die Szenerie.
Ein solches Wetter entspricht, genau betrachtet, nicht der im Gemälde dargestellten Szenerie. Die Weißwäsche, die zum Trocknen und Bleichen auf die Wiese gebracht wurde, würde sicherlich nicht bei Schauerwetter, sondern bei "gutem Trockenwetter" (Steland, S. 15) ausgelegt werden. Insofern können die fortziehende Niederschlagswolke und der Regenbogen ikonographisch für das neu aufblühende Leben nach dem dunklen Winter stehen.
Informationen zum Klima im 17.Jahrhundert, zur Entstehung der Jahreszeiten
und zu Himmelsstimmungen finden sich im Beitrag
"Wolken und Wetter über den Vier Jahreszeiten" von Werner Wehry und Bernhard
Mühr auf der CD-ROM "Die
Vier Jahreszeiten".
Jan Kelch/Franz Ossing
Februar 1998